Immer auf, immer Berlin – der Späti
Wer nachts um halb drei ein kaltes Bier, Zigaretten, Toilettenpapier oder eine Packung Spaghetti kaufen möchte, ist anderswo aufgeschmissen. Nicht so in Berlin – Kaum etwas steht so sinnbildlich für das Kiezleben der Hauptstadt wie der wichtigste Anlaufpunkt zu (fast) jeder Uhrzeit einer (fast) jeden Nachbarschaft: Der Späti.
Spätkauf-Läden, kurz Spätis, gibt es in Berlin wirklich an jeder Ecke: Mehr als 900 finden sich im Stadtgebiet und keiner ist wie der andere. Oft bunt und vollgestopft bis unter die Decke finden Hungrige und Durstige hier eigentlich immer das Richtige. Das Standartrepertoire der Läden, die meist nur einen einzigen Raum umfassen, beinhaltet einige Biersorten, diverse Softgetränke – vorneweg natürlich hippe Szenedrinks auf Mate- oder Koffeinbasis -, Tabakwaren, Süßigkeiten und Snacks. Fast jeder Späti hat aber sein ganz eigenes Profil, das sich in einer ganz eigenen Produktpalette, verrückten Extras oder schräger Werbung niederschlägt.
Back-Spätis zum Beispiel haben ein breites Angebot an meist aufgetauten Backwaren, belegten Brötchen und immer auch einen günstigen Filterkaffee im Pappbecher. Im Tele-Späti kann man ins Internet gehen, den Kopierer benutzen und manchmal sogar einen Handyvertrag abschließen. Und beim klassischen Getränke-Späti gibt es mehr als nur ein paar ausgefallene Biersorten und günstige Weine. Doch das ist selten alles, mancher Späti ist eigentlich ein kleiner Baumarkt, ein Spielzeugladen, ein Tabakwarenfachgeschäft oder sogar ein Waffen-Shop.
So verschieden und oft schräg wie ein Spätkauf präsentiert sich meist auch seine Kundschaft: Alle Altersgruppen und Klassen, Berufstätige, Studenten und Arbeitslose, Anwohner und Touristen treffen im Späti aufeinander und die Ladeninhaber sind nicht selten auch Seelentröster und Gerüchteküche im Kiez. Für viele spielen sich das Leben und die Vielfalt in ihrer Nachbarschaft daher auch ganz besonders im Späti um die Ecke ab.
Der Spätkauf hat vor mehr als 100 Jahren eigentlich als „Trinkhalle“ in Berlin begonnen und sollte mit dem Ausschank von Mineralwasser an durstige Passanten vor allem die weit verbreiteten Alkoholprobleme bekämpfen: Der Verkauf von alkoholischen Getränken war in den Trinkhallen nämlich verboten. Heute ist das kaum zu glauben, immerhin ist der Späti die Quelle fast jeden Wegbiers. Zwar gibt es Kioske, Trinkhallen und Tante-Emma-Läden auch in vielen anderen großen Städten, aber nirgendwo sonst hat der Späti einen solch hohen Stellenwert im pulsierenden Leben der Tage und Nächte wie in Berlin. Er ist eine Berliner Instanz, hat (fast) immer auf und ist aus dem Alltag der Hauptstadt nicht mehr wegzudenken.
Spätis finden sich überall dort, wo viel los ist; wobei die Spannendsten und Schrägsten natürlich in den Bezirken mit einer aktiven Subkultur auf euch warten, also vor allem in Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln. Im Industriepalast Hostel seid ihr mittendrin – also warum nicht mal das „echte“ Berliner Leben mit einer kleinen Tour durch die Spätis der Nachbarschaft erkunden?
Viel Spaß auf Entdeckungstour durch die Spätis im Kiez,
euer Simon
Blogger im Industriepalast Hostel
Kleiner Tipp: Der Berliner Autor Christian Klier hat ein witziges, interessantes und knallbunt bebildertes Buch über den Späti geschrieben. Voll mit bunten Bildern, schrägen Stories und allerlei Unerwartetem sieht das Buch sogar selbst aus wie der Laden um die Ecke. Der Späti: Eine Ortsuntersuchung in Berlin ist im Berlin Story Verlag erschienen und kostet 9,95€.