Street-Art-Tempel: The HAUS
“Manche Menschen werden Polizisten, weil sie wollen, dass die Welt ein besserer Ort wird. Manche Menschen werden Vandalen, weil sie wollen, dass die Welt schöner aussieht.” Von wem dieses kontroverse Zitat stammt? Vom anonymen König der weltweiten Street-Art-Szene natürlich, von Banksy. Graffitis und Straßenkunst, das sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, sind oft so viel mehr als infantile Schmierereien an Brückenpfeilern. Street-Art provoziert und regt zum Nachdenken an, sie kann ästhetisch oder bewusst hässlich sein, wütend oder beruhigend – kurzum: sie macht den öffentlichen Raum zum Kunstobjekt, und jede Mauer ist eine mögliche Leinwand. Waren sich die elitäre Kunstwelt und die Street-Art-Szene ursprünglich einmal spinnefeind sind die Grenzen heute mehr als nur verwischt. Mittlerweile werden Street-Art-Museen gebaut, erhalten Straßenkünstler eigene Ausstellungen – in England gab es sogar zeitweise einen Banksy-Vergnügungspark. Eine spannende Pop-Up-Galerie in Charlottenburg sucht jetzt den Kompromiss zwischen diesen Extremen im Rahmen eines aufregenden, temporären Projekts: Berlin Art Bang: The HAUS ist das Street-Art-Ereignis, von dem derzeit alle sprechen in der Hauptstadt. Was euch dort erwartet? Lest weiter und findet es heraus:
Ist das Kunst…
Das leerstehende alte Gebäude der Volksbank in Berlin-Charlottenburg, zwischen Ku’damm und Zoo, wird im Sommer abgerissen um Eigentumswohnungen Platz zu machen. Die Dixons, ihres Zeichens Street-Art-Crew aus der Hauptstadt hatten hier die zündende Idee: In Absprache mit den Eigentümern luden sie mehr als 150 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt ein, um den verwaisten Bau in der Nürnberger Straße für gut zwei Monate in ein einzigartiges Urban-Art-Museum zu verwandeln. Seit Anfang des Jahres konnten die Artists 24/7 hier arbeiten, ungestört und ohne den sonst üblichen Druck der Illegalität. Manche ließen sich Zeit, erschufen aufwendige Arbeiten. Andere, wie der Australier Crisp, kamen nur für eine Nacht und waren wieder verschwunden, als die Sonne aufging – wohl aus Gewohnheit. Entstanden ist ein irres Labyrinth aus Graffitis, Skulpturen, Installationen und Tape-Artworks verteilt auf nicht weniger als 108 Räume. Leere Sanitäranlagen, Wände, Decken, Böden, lange Flure und enge Kammern, Heizkörper, Türen – nichts war vor den Kreativgeistern sicher. Die Kunsträume könnten unterschiedlicher nicht sein, sowohl was die gewählten Motive, als auch die Techniken angeht. Deshalb solltet ihr für den Besuch auch ein wenig Zeit mitbringen um die bunte Urban-Art-Welt ausgiebig erkunden zu können.
…oder kann das weg?
Nur zuviel Zeit lassen solltet ihr euch nicht lassen – bis Ende Mai hat The HAUS noch geöffnet. Und dann? Kommt die Abrissbirne. „Street-Art auf der Straße ist vergänglich. Ein Bild wird gecrossed, ein anderes ist komplett weg. Hier ist das halt genauso“, sagt Timo von Rekowski von den Dixons. Insofern bleibt im Pop-Up-Projekt ein zentrales Element der Street Art bewahrt: Kunst für den Moment, nicht für die Ewigkeit. Aus diesem Grund haben sich die Macher auch für ein totales Bilderverbot entschieden. Kameras dürfen nicht mit rein in die Ausstellung, Handys werden am Eingang eingetütet. “Genieß die Kunst, die Atmosphäre und den Moment. Schau dir die Welt durch deine Augen an und nicht durch den Bildschirm deine Telefons”, heißt es dazu. Kunst als Erfahrung, nicht als Instagram-Content. Weil diese Erfahrung jedoch allen offen stehen soll, unabhängig vom sozialen Hintergrund, kostet der Berlin Art Bang keinen Eintritt. Unterstützen könnt ihr das Projekt durch eine kleine Spende am Ausgang oder den Erwerb eines Bildbandes der Kunstwerke. Darin werden die temporären Artworks dann immerhin ein wenig für die Ewigkeit bewahrt. Einige der beteiligten Künstler geben auch geführte Touren durch die Kunsträume (10 € pro Person) – eine einmalige Gelegenheit zeitgenössische Größen der Urban-Art-Szene hautnah zu ihrer Arbeit zu befragen. Führungen gibt es auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Türkisch – allerdings nur nach vorheriger Anmeldung.
Geöffnet hat der Berlin Art Bang: The HAUS noch bis zum 31. Mai jeden Tag außer Montags von 10 bis 20 Uhr. Da sich immer nur eine begrenzte Zahl an Besuchern gleichzeitig im Gebäude aufhalten darf, müsst ihr mit ein wenig Schlangestehen rechnen. Ihr findet das temporäre Urban-Art-Museum in der Nürnberger Straße 68/69 in Berlin-Charlottenburg. Vom Industriepalast Hostel nehmt ihr bequem die U1 bis Kurfürstendamm und seid in 20 Minuten vor Ort.
Viel Spaß im Street-Art-Tempel wünscht euch
euer Simon
Blogger @IndustriepalastHostel
P.S.: Von der DW gibt es einen sehenswerten Beitrag über The HAUS – anschauen:
Picture: (Quelle: © THEHAUS 2017)