Top10 Berlin-Bücher – Part 1
Der Winter steht vor der Tür, die beste Zeit also um mal wieder ein richtig gutes Buch zur Hand zu nehmen. Und was könnte schöner sein, als sich in den Zeilen eines unserer zehn liebsten Berlin-Bücher zu verlieren: Bücher aus Berlin, über Berlin, mit Bezug zu Berlin. Damit dürfte klar sein, welche zehn Schinken für euch unter dem Weihnachtsbaum liegen. Diese Woche stellen wir euch die Plätze 10 bis 6 vor:
platz10: RUSSENDISKO (Wladimir Kaminer)
Seit dem gleichnamigen Film mit Schönling Matthias Schweighöfer aus dem Jahr 2012 findet sich der zwölf Jahre zuvor erschienene Erzählband von Wladimir Kaminer wieder auf den Schautischen der Buchhandlungen. Zu Recht, denn die skurril-witzigen Kurzgeschichten über eine jüdisch-russische Straßenmusikcombo, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Berlin emigriert, zeichnen ein herzerwärmendes Bild vom unfertigen Jedermannsland Berlin in den frühen Neunzigern und behandelt die großen Fragen der Immigration und dem Leben als Außenseiter in einem Land im Umbruch. Und spätestens nach ein paar Seiten hat man dann auch Schweighöfer vergessen.
platz9: FABIAN (Erich Kästner)
„Alles, was gigantische Formen annimmt, kann imponieren, auch die Dummheit“, bemerkt Erich Kästner alias Fabian im gleichnamigen Roman von 1931 und zeichnet ein berührendes, ironisches aber auch nachdenkliches Bild über die deutsche Weltstadt zwischen den goldenen Zwanzigern und den Schrecken der Nazi-Zeit. Fabian zieht durch das pulsierende Nachtleben Berlins, durch Bordelle, schmierige Kneipen und Künstlerateliers, und er beobachtet, wird zynisch, philosophiert über Moral. Dazu gibt es eine bewegende Liebesgeschichte, viel subtilen Weltschmerz und eine große Portion Verlorenheit, in einer sich bewegenden, anonymen Welt voll Vergnügungen, Unmoral und ohne viel Sinn. Klingt alles erstaunlich aktuell, nach Technoszene und Subkultur in Berlin. Wären wir da nicht am Vorabend von Hitlers Machtergreifung…
platz8: STASILAND (Anna Funder)
Als die DDR 1990 ihre letzten Atemzüge tat, begann die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit schnell, doch wirklich sachlich dem Thema nähern konnte sich niemand. Zu lebendig noch waren die Erinnerungen, zu viele Opfer und Täter trafen im öffentlichen Leben aufeinander – das Thema war geprägt von großer emotionaler Tragkraft. Die Australierin Anna Funder war in der Lage, sich der Vergangenheit in ihrem 2003 erschienen Sachbuch Stasiland von außen nähern: Ohne persönliche Verstrickungen und frei von aller Nostalgie folgte sie den Erlebnissen und Lebensgeschichten Einzelner, sprach mit Tätern und Opfern und legte den Finger in die vielen offenen Wunden. Ein Einblick von außen in ein schwieriges Kapitel deutsch-deutscher Geschichte, der uns in Deutschland in dieser Form oft fehlt – bedenkenswerter Lesestoff!
platz7:WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO (Christiane F.)
Schon die Autorenangabe täuscht, eigentlich haben das 1978 vom Magazin SPIEGEL veröffentlichte Buch die Journalisten Kai Hermann und Horst Rieck geschrieben. Zwei Monate lang interviewten die beiden die damals 15-jährige drogensüchtige Prostituierte Christiane Felscherinow, um ihre Biografie dem bundesdeutschen Establishment zu servieren: schön schockierend, mit angenehmem Gruselfaktor und einer Menge moralischem Verfall im Moloch der Westberliner Insel. Das „Sach-“Buch wird seitdem gerne zur Drogenaufklärung und Abschreckung in Schulen gelesen und funktioniert noch immer nach dem gleichen Erfolgsrezept: Gemütlicher Eckel über die menschlichen Abgründe. Mit ein bisschen Distanz betrachtet taugt das Buch daher vor allem als Abbild bürgerlich-deutscher Scheinheiligkeit. Allein der nie endenden Rezeptionswelle wegen aber dennoch eigentlich ein Must-Read.
platz6: DIE KÄNGURU-CHRONIKEN (Marc-Uwe Kling)
Der erste Teil der Trilogie über das kommunistische Känguru als Mitbewohner des Kreuzberger (Klein-)Künstlers Marc-Uwe Kling hat längst Kultstatus: Alle drei Prosasammlungen sowie die dazugehörigen Hörbuch-Fassungen verkaufen sich wie geschnitten Brot. In kurzen Anekdoten ziehen der Erzähler und das Känguru, seines Zeichens Vietnam-Veteran und Anführer eines antifaschistischen Box-Clubs, durch Berlin, die Welt, durch das Leben, beobachten und ironisieren alles und werden zu den vielleicht witzigsten Zeitzeugen einer ganzen Generation. Viel Alltag, viel Politik, viel Lachen, viel, viel Berlin – Kultig!
Juckt euch schon das Lesezeichen? Nächste Woche gibt’s die zweite Hälfte unserer Top10 Berlin-Bücher!
Bleibt gespannt,
euer Simon